Indigene

Indigene Völker weltweit

Der Überbegriff „Indigene“ deckt eine große Vielfalt an unterschiedlichen Gruppen und menschlichen Lebensformen ab. Schätzungen gehen davon aus, dass es weltweit etwa 476 Millionen Indigene gibt, was 6 % der Weltbevölkerung entspricht. Diese gliedern sich in ca. 6.000 Gruppen auf, die 4 – 5.000 unterschiedliche Sprachen sprechen. Indigene sind vielerorts Meister darin, sich an die widrigsten Lebensumstände anzupassen, ob im feuchtheißen Amazonas oder Kongobecken, der trockenen Kalahariwüste, der eisigen Arktis oder dem kargen Himalayagebirge. Mehr als die Hälfte aller Naturschutzgebiete weltweit werden von Indigenen verwaltet, so dass sie eine große Rolle bei der Bewahrung der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität spielen. Studien zufolge tun sie dies weitaus effektiver als professionelle Naturschutzorganisationen oder staatliche Behörden.

Obgleich jede indigene Gruppe einzigartig ist in ihrer Kultur, sozialen Organisation und ihrer Weltanschauung, teilen Indigene weltweit eine traurige Statistik: sie gehören in ihren Ländern meist zur ärmsten und am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppe, die kaum Zugang zu Gesundheit, Bildung, politischen Entscheidungsstrukturen und ökonomischen Möglichkeiten hat. Indigene werden von der Mehrheitsbevölkerung oft diskriminiert und in hohem Maße marginalisiert. Viele der Begriffe, die uns geläufig sind, wie Eskimos oder Buschmänner, sind Fremdbezeichnungen, abwertende Begriffe und Beschimpfungen, deren Verwendung meist mit negativen historischen Erfahrungen assoziiert ist. Dahingegen sind Bezeichnungen wie Maori, Cherokee, Navajo, Shuar oder Yanomami Namen, die die Gruppen selbst für sich gewählt haben oder heute für sich verwenden möchten.

Indigene haben unterschiedlichste Erfahrungen bei der Besiedelung der ihnen angestammten Gebiete gemacht, und die Geschichte jeder Gemeinschaft ist verschieden. Viele Gruppen verloren im Zuge der Kolonialisierung ihr Land und leben heute auf einem Bruchteil ihres ursprünglichen Territoriums, oder sind gar landlos. Die Siedler brachten oft neuartige Krankheiten mit sich, auf die das Immunsystem der indigenen Bevölkerung nicht vorbereitet war. Nicht wenige Gruppen verloren bis zu 90 % ihrer Gemeinschaften bei horrenden Grippe-, Masern- oder Pockenepidemien. Da Indigene nur in den seltensten Fällen für das von ihnen erfahrene Unrecht kompensiert und für den Landraub entschädigt wurden, finden sie sich bis heute in einer schlechteren gesellschaftlichen Ausgangsposition wieder. Koloniale, rassistische Denkstrukturen beeinflussen derweil immer noch die Politik von Regierungen als auch den öffentlichen Diskurs.

Beinahe alle indigenen Gruppen der Welt sind heutzutage ähnlichen Einflüssen der Globalisierung und einem einheitlichen, vom Westen geprägten Entwicklungsmodell ausgesetzt. Seit vielen Jahrzehnten organisieren sie sich international erfolgreich und vertreten ihre Anliegen gemeinsam als soziale Bewegung. Am 9. August begehen Indigene weltweit den „Internationalen Tag der Indigenen Völker“, um auf ihre speziellen Herausforderungen aufmerksam zu machen.

Und wer entscheidet, wer indigen ist? Die meisten Gruppen halten dies so: sich einer indigenen Gruppe zuzuschreiben, bedarf der Selbstidentifikation als indigen sowie der Akzeptanz der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt. Dies ist auch die gängige internationale Handhabung des Begriffes.

In Europa gibt es nur noch wenige Indigene – die Sámi im Norden Skandinaviens, die Inuit in Grönland (was politisch Dänemark angliedert ist), und einige Völker in Russland. Der Begriff Indigene unterscheidet sich von dem nationaler Minderheiten, wie zum Beispiel den Roma und Sinti oder sprachlichen Minderheiten wie den Basken in Spanien oder den Bretonen in Frankreich.