Kongobecken

Dzanga-Sangha, Zentralafrikanische Republik

Dzanga-Sangha ist ein im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) an der Grenze zu Kamerun und der Republik Kongo gelegenes Naturschutzgebiet im tropischen Regenwald des Kongobeckens. Die Region dehnt sich von Nord nach Süd über knapp 100 km aus und ist seit 2012 Teil des UNESCO-Welterbegebiets „Trinational de la Sangha“ (TNS). Sie ist Heimat der indigenen BaAka und Sangha-Sangha, die diese Region seit Jahrhunderten bewohnen.

Die ursprüngliche Bevölkerung des Gebiets hat eine starke Verbindung zu dieser Region, zu den Wäldern und Flüssen, die ihren Lebensunterhalt garantieren und im Mittelpunkt ihrer Kultur stehen. Als traditionell halbnomadische Jäger und Sammler haben die indigenen BaAka und die Sangha-Sangha Fischer einen großen Wissens- und Erfahrungsschatz der ökologischen Prozesse dieser fragilen Landschaften aufgebaut. Diese Verbundenheit mit der Natur drückt sich auch in zahllosen Legenden, Liedern und Tänzen aus. Die polyphone Musik der BaAka mit ihren mehrstimmigen Gesängen ist weltweit bekannt und wurde von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt. Die enge Beziehung zu ihrer Umwelt hat die soziale Organisation dieser Gruppe, die sich vorallem durch Gemeinschaftsorientierung und Egalität auszeichnet, nachhaltig geprägt.

In den letzten Jahren ist die indigene Bevölkerung jedoch unter großen Druck geraten, sich an die Mehrheitsgesellschaft und neue Wirtschafts- und Sozialformen anzupassen. Diskriminierung und Ausbeutung, mangelnde Wertschätzung ihrer kulturellen Traditionen und Lebensweise von Seiten der heute dominanten Bevölkerungsgruppe der Bantu und Vertretern des Staates untergraben die Kontinuität ihrer Kulturpraktiken und Wertorientierungen und verhindern deren Weitergabe an die nächste Generation. Die indigenen BaAka und Sangha-Sangha Gemeinschaften stehen vor der großen Herausforderung, sich diesen plötzlichen und radikalen Veränderungen zu stellen, einen Platz für ihre bewährten Fähigkeiten und Wissenssysteme in der heutigen Welt zu finden und diese so einzusetzen, dass sie ihnen zugute kommen.

OrigiNations unterstützt die indigene Bevölkerung seit vielen Jahren dabei, sich zivilgesellschaftlich zu organisieren und Strukturen zu schaffen, die zu einer langfristigen Verbesserung ihrer Lebenssituation beitragen. Unsere Initiative bietet über mehrere Workshops, Exkursionen und Projekte hinweg Jugendlichen und Dorfältesten einen Raum, ihr bedrohtes Kultur- und Naturerbe zu erforschen und zu dokumentieren, um so die Weitergabe von wertvollem traditionellem Wissen zu gewährleisten. Die Jugendlichen und Dorfältesten bestimmen selbst über die thematischen Schwerpunkte und die praktische Ausgestaltung dieser Initiative. Ihre Interessen, Fähigkeiten, ihre Kreativität, ihr Erinnerungsvermögen und ihre Visionskraft werden zum Motor dieses Projekts. Die von OrigiNations durchgeführten Workshops bieten viel Raum für Diskussionen und Austausch: zwischen den Generationen, den zehn teilnehmenden Dörfern, zwischen beiden indigenen Gruppen der Region sowie zwischen der Bevölkerung und unterschiedlichen Akteuren im Bereich Naturschutz, Kulturerhalt und Menschenrechte.

Zu Beginn der Inititative identifizierten die Jugendlichen mehrere Themen, zu denen sie arbeiten möchten: Diskriminierung, Durchsetzung indigener Rechte, Dokumentation und Revitalisierung indigener Kultur und Sprache, Verbesserung der Gesundheitsversorgung, sowie die Zusammenarbeit mit Akteuren im Naturschutz, um ihren Lebensraum langfristig zu erhalten. Nach mehreren Workshops zu nationalen und internationalen Menschenrechtsinstrumenten, die die Jugendlichen für die Verteidigung ihrer Rechte zu nutzen lernten, begann die Jugendgruppe, ein Konzept für ein Menschenrechtszentrum zu entwickeln, das basierend auf der von der Zentralafrikanischen Republik unterzeichneten Konvention ILO 169 die Rechte indigener Gruppen vor Ort durchsetzen sollte. Die zentralafrikanische NGO MEFP („Maison de l’Enfant et la Femme Pygmées“) konnte für diese Aufgabe gewonnen werden und betreibt seit 2015 ein Menschenrechtszentrum in der Region, das Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und verfolgt, sowie Aufklärungskampagnen gemeinsam mit der Jugendgruppe durchführt.

Neben Theaterstücken, Filmen, Radiosendungen und Comics, erarbeitete die Jugendgruppe Unterrichtsmaterialien in ihrer Sprache und kooperiert auf unterschiedliche Weise mit den Schulen der Region. Die Jugendgruppe ist seit mehreren Jahren als zentralafrikanischer Verein mit dem Namen Ndima-Kali registriert und wird regelmäßig von Organisationen im Kongobecken eingeladen, ihren Ansatz der Jugendarbeit zu teilen. Die Initiative hat das Rechtsbewusstsein und kulturelle Selbstvertrauen der indigenen Gruppen gestärkt und sie dazu befähigt, in Kooperation mit dem Nationalpark als auch mit anderen lokalen und internationalen Organisationen konkrete Aktivitäten zum Schutz ihrer Kultur und Natur zu verfolgen und neue wissensbasierte Einkunftsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Einschreibung des Parks als UNESCO-Weltnaturerbe ist Teil dieses größeren Kontextes, der es erlaubt, internationale Prozesse als wichtige Anknüpfungspunkte für indigenes Wissen zu verwenden. Dies kann helfen, neue Impulse zu setzen in einer lokalen Situation, die von starker Diskriminierung und mangelnder Akzeptanz indigener Kulturtraditionen geprägt ist.

Von 2015 – 2018 wurde dieses Projekt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt, in Kooperation mit der zentralafrikanischen NGO MEFP („Maison de l’Enfant et la Femme Pygmées“), dem panafrikanischen Indigenen-Netzwerk IPACC („Indigenous Peoples of Africa Co-ordinating Committee“) und dem WWF Deutschland. Wir begleiten die Jugendlichen weiterhin bei ihren Aktivitäten und helfen ihr u.a. beim Aufbau einer Website.


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